Skip directly to content

Dysphagie-Symposium: Experten tagen über sicheres Schlucken

on 29. Juni 2011 - 14:09

Die Zahlen sprechen für sich: Unter einer Dysphagie (Schluckstörung) leiden etwa 16 bis 22 Prozent der über 55-Jährigen, 30 bis 50 Prozent der Bewohner von Pflegeheimen und gut die Hälfte der neurologischen Patienten. Trotzdem wird Dysphagie gerade bei älteren Menschen mit Mehrfacherkrankungen oftmals nachrangig behandelt. Dies nimmt den Betroffenen ein großes Stück Lebensqualität und kann zu ernsthaften Problemen wie Mangel- und Fehlernährung, Austrocknung (Dehydration) oder schweren Lungenentzündungen (Aspirationspneumonie) führen – einer häufigen Todesursache bei Schlaganfallpatienten.

Interdisziplinärer Weiterbildungstag rund um das Thema Dysphagie

Am 18. Juni 2011 fand in Köln unter Leitung des Lehrstuhls für Geriatrie der Universität zu Köln, dem St. Marien-Hospital Köln und der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) ein interdisziplinäres Dysphagie-Symposium statt. Der Weiterbildungstag mit Experten aus Klinik, Therapie und Ernährungsmedizin wurde mit Unterstützung von Nutricia, dem Erlanger Spezialisten für enterale Ernährung, ausgerichtet.

„Am Beispiel Dysphagie zeigt sich die zunehmende Bedeutung interdisziplinärer Versorgungskonzepte“, so Gastgeber Prof. Dr. Ralf-Joachim Schulz, Leiter des Lehrstuhls für Geriatrie der Universität zu Köln und Chefarzt der Klinik für Geriatrie am St. Marien-Hospital Köln. „Ärzte, Therapeuten und Pflegekräfte müssen mit Blick auf eine optimale Betreuung der Patienten ihr Fachwissen bündeln und so eng wie möglich zusammenarbeiten“, so Prof. Schulz.

„Dysphagie ist die unterschätzte Gefahr der Geriatrie“, befindet auch Dr. Martin Jäger. Der Chefarzt der Geriatrie im St. Vinzenz-Hospital von Dinslaken wies auf die Notwendigkeit einer auf die Geriatrie zugeschnittenen Diagnostik sowie eines professionellen Dysphagiemanagements hin. Hierdurch könne eine eindrucksvolle Senkung des Risikos für Aspirationspneumonien erreicht werden. Neben einer frühzeitiger Diagnose der Dysphagie – wie sie die Fachgesellschaften und Leitlinien fordern – sei die Bestimmung des sichersten und effektivsten Weges einer adäquaten Flüssigkeits- und Nährstoffzufuhr bei optimalem Schutz der Atemwege Kernaufgabe des apparativen Dysphagiemanagements.

Mehr Sicherheit durch Ernährung – Schlucken neu lernen

Dysphagie ist nicht gleich Dysphagie. Das Spektrum bei Schluckstörungen reicht von Problemen mit bestimmten Nahrungsmitteln oder Getränken bis zur völligen Schluckunfähigkeit. Eine Schluckstörung kann plötzlich, aber auch progredient auftreten und ist ein häufiges Symptom von Infarkt, Schädelhirntrauma, Morbus Parkinson, Demenzerkrankungen, zunehmend auch bei Refluxerkrankungen und Tumoren im HNO-Bereich. Die Folge, so Prof. Dr. Elfriede Bollschweiler von der Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral- und Tumorchirurgie, sind schwerwiegende Beeinträchtigungen der Lebensqualität, das Auftreten von Aspiration und ein hohes Risiko für Mangelernährung.

Mit dem Grad der Schluckstörung wächst die Gefahr einer Mangelernährung. Die Betroffenen können sich nicht mehr ausreichend oder gar nicht mehr ernähren. Dabei brauchen die oft schwer kranken Patienten ausreichend Energie für den Genesungs- und Rehabilitationsprozess. Laut Danuta Borde, ernährungsmedizinischer Beraterin bei Nutricia, ist eine Mangelernährung, die den Krankheitsverlauf weiter erschwert, programmiert: „Viele Dysphagie-Patienten nehmen aus Angst, sich zu verschlucken, so wenig wie möglich zu sich.“

Für eine erfolgreiche Therapie sind Dysphagie-Patienten auf Nahrung angewiesen, die den Nährstoffbedarf deckt und deren Konsistenz entsprechend der vorangegangenen Diagnostik genau auf die individuelle Schluckfähigkeit zugeschnitten ist. Vollbilanzierte, hochkalorische Trinknahrungen, die in unterschiedlichen Konsistenzen erhältlich sind, können mögliche Versorgungslücken schließen und gleichzeitig durch die höhere Viskosität das Risiko für Aspiration reduzieren. Hier gilt es, insbesondere auf die Amylaseresistenz der Produkte zu achten – diese hat den Vorteil, dass beim Kontakt mit Speichel die Konsistenz erhalten bleibt und ein sicheres Schlucken gewährleistet wird. „Mit adaptierter Kost zum Beispiel aus dem Nutilis-Portfolio kann neben ausreichender Nährstoffzufuhr gezielt die Symptomatik der Dysphagie beeinflusst werden“, so Danuta Borde, „die Patienten müssen im Training das Schlucken wieder neu lernen. Das geht nur, indem sie schlucken und sich dabei auch sicher fühlen, weil die Kost die optimale Konsistenz beibehält.“

Bei Patienten mit besonders schweren, neurologisch bedingten Schluckstörungen empfehlen die Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Klinische Ernährung (ESPEN) den möglichst frühen Beginn einer Sondenernährung, um eine Verschlechterung des Ernährungszustandes zu vermeiden. Diese Ernährungstherapie sollte so lange durchgeführt werden, bis eine sichere und ausreichende orale Nahrungsaufnahme wieder möglich ist.

Dysphagietherapie als interdisziplinäre Herausforderung

Eine funktionell orientierte Therapie von Schluckstörungen sollte laut Dr. Weinert, akademische Sprachtherapeutin und Leiterin des Kölner Dysphagiezentrums, in jedem Fall stets nach einem störungsspezifischen Ansatz ausgewählt und so umgesetzt werden, dass sie das individuell definierte optimale Behandlungsziel erreicht. Ob restituierende Maßnahmen mit Übungen zur Wiederherstellung der Funktionalität von Lippen, Zunge, Wangen und Kehlkopf, eine kompensatorische Behandlung, bei der Ersatzstrategien für einen erleichterten Schluckprozess gelernt werden, oder eine adaptive Schlucktherapie mit angepassten Nahrungskonsistenzen – bei der Auswahl geeigneter Methoden helfen auch die aktuellen DGN-Leitlinien mit Hinweisen auf die Evidenz zur Wirksamkeit. Besonders profitieren die Patienten von einem fachübergreifenden Zusammenspiel von Ärzten, Pflegefachkräften und Therapeuten, das weiter intensiviert werden sollte.

Apparative Schluckdiagnostik – interaktiver Workshop

Die Aspirationspneumonie ist bei Schlaganfallpatienten eine häufige Todesursache. „Durch frühzeitige apparative Diagnostik und nachfolgende Intervention kann das Risiko nachweislich gesenkt werden“, so Dr. Johannes-Josef Raczinski vom St. Marien-Hospital in Köln. Neben klinischen Eingangsuntersuchungen und der Videofluoroskopie, die den Schluckvorgang mit Kontrastmitteln und Röntgenbildern darstellt, kommt verstärkt die Videoendoskopie zum Einsatz. „Diese kann gerade bei unklarer Symptomatik wichtige Hinweise für die Therapie liefern. Im Vergleich zur Videofluoroskopie ist die -endoskopie weniger belastend für die Patienten. Sie sind keinen Röntgenstrahlen ausgesetzt, und die Untersuchung kann im Liegen durchgeführt werden“, so Dr. Raczinski.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Sascha Klein sowie Dr. Tanja Rittig, Sprachtherapeutin vom Dinslakener St. Vinzenz-Hospital, lud Dr. Raczinski im Workshop dazu ein, sich mit dem Ablauf, den Risiken und Besonderheiten der apparativen Schluckdiagnostik vertraut zu machen. So konnten die Teilnehmer selbst den Umgang mit dem Endoskop erproben.

Fachinformationen und Vorträge vom Dysphagie-Symposium online

Wer sich ausführlich über Dysphagie informieren möchte, wird seit Kurzem im Internet fündig. Unter der Adresse www.dysphagie.de hat Nutricia ein Fachportal online geschaltet. Neben Broschüren und Schulungsvideos werden Sie hier auch zeitnah die Mitschnitte der Vorträge des Dysphagie-Symposiums in Köln finden.

Kommentieren Sie diesen Beitrag und diskutieren Sie mit anderen Akteuren in der Medical Valley-Community auf Xing.
Wir freuen uns auf Sie!

Addthis